Mit der Einvernahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel als Zeugin vor dem NSA-Untersuchungsausschuss endet das Beweisaufnahmeverfahren des Ausschusses nach mehr als dreijähriger Arbeit und etwa 130 Sitzungen.
Spektakuläre Wendungen brachte die Einvernahme nicht. Der Boden für Zeugeneinvernahme der Kanzlerin wurde bereits am Montag, dem 13. 02. 2017 von Kanzleramtsminister Peter Altmaier aufbereitet. Bei seiner Einvernahme vor dem Ausschuss, ebenfalls als Zeuge, gab er zu Protokoll, dass vor März 2015 niemand im Kanzleramt gewusst hätte, dass die NSA den BND auch dazu nutzt europäische Partner auszuspionieren.
Als der für die Nachrichtendienste zuständige Kanzleramtsminister und Nachfolger von Roland Pofalla, wäre er, Altmaier, von seinem Vorgänger nicht über die damals schon bekannte Praxis des BNDs unterrichtet worden. Die mehr als ein Jahrzehnt im Amt befindliche deutsche Kanzlerin hätte keine Kenntnis davon, dass der BND im Auftrag der NSA europäische Ziele ausspioniere und schon gar nicht, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst in Eigenregie Selektoren in das Überwachungssystem einspeist, die ebenso europäische Partner zum Ziel haben. Hintergrund der Zeugeneinvernahme ist die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin, die noch im Oktober 2013 in der Affäre um ihr abgehörtes Handy, sichtlich empört feststellte: „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“. Kritiker werfen ihr daher vor, dass sich dieser Satz nur auf den Umstand bezieht, dass ihr Handy abgehört wurde, während die gesamte Dimension der NSA-Affäre klein gehalten und unter den Tisch gekehrt wurde.
Die NSA-Affäre geht jedoch weit über die Frage hinaus, was das Kanzleramt und die Kanzlerin selbst über die Aktivitäten des BNDs wusste. So scheint es rückblickend als ein taktisch kluger Schritt, dass der damals verantwortliche Kanzleramtsminister Pofalla genau zum richtigen Zeitpunkt sein Amt abgegeben hatte. Ist die Aussage von Altmaier richtig, so hat Pofalla per Weisung die gängige Praxis des BNDs in der Zusammenarbeit mit der NSA still und heimlich abgestellt und seinem Nachfolger Peter Altmaier darüber nicht ins Bild gesetzt. Kein Wunder also, dass weder das Kanzleramt, noch die Kanzlerin selbst über die Machenschaften des BNDs informiert wurden. Schuld an der ganzen Misere sei der BND selbst, und dort auch nicht einmal die Leitung des BNDs, sondern nur die dafür zuständige Abteilung, die sich verselbständigt hätte. Auch der erzwungene Rücktritt des damaligen BND-Chefs, Gerhard Schindler, hätte nichts mit der BND-Affäre zu tun. Dem BND selbst werden „technische und organisatorische Defizite“ unterstellt, so die Schlussfolgerung einer von Altmaier eingesetzten Kommission im April 2015. Das Kanzleramt, als oberste Dienst- und Kontrollbehörde des BND kann schon deshalb nicht zur Verantwortung gezogen werden, da die personelle Kontinuität nicht mehr gegeben ist (sieht man von Frank-Walter Steinmeier ab). Altmaier war bis März 2015 nicht darüber informiert, dass mit den Selektoren etwas nicht stimme. Dann allerdings hat er, so gibt er zu Protokoll, seine Verantwortung als oberste Kontrollbehörde des BNDs wahrgenommen.
Damit hätte die Bundesregierung die NSA-Affäre gerne politisch beendet. Sie ist es aber nicht. Dass die an der Aufarbeitung der Affäre beteiligten Personen im Kanzleramt, wie auch in der Führung des BNDs von der seit Jahren und bis Ende 2013 gängigen Praxis des BNDs nichts mitgekommen hätten, entspricht möglicherweise sogar der Wahrheit. Es zeigt aber auch in erschreckender Art und Weise auf, wie wenig Aufmerksamkeit die Deutsche Bundesregierung über Jahrzehnte hinweg dem BND entgegenbrachte – und das bis heute. Der BND, so scheint es, war über Jahre hinweg ohne inhaltliche Vorgaben und ohne effiziente Kontrolle. Genau da soll das neue BND-Gesetz ansetzten. Trotzdem, Kanzleramtsminister Altmaier wird bis heute nachgesagt, den BND nicht ernst zu nehmen und die Kanzlerin von den Informationen des Dienstes abzuschirmen. Insider zitieren Altmaier in seinem Umgang mit dem BND mit dem Worten: „Die hören schon wieder das Gras wachsen“.
Dabei hat sich die NSA-Affäre keinesfalls aus dem Nichts entwickelt. Schon der Echelon-Abschlussbericht aus dem Jahre 2001 kommt zur Schlussfolgerung, dass politische und wirtschaftliche Spionage zu den Aufgabenbereichen aller großen europäischen Dienste gehört, auch gegen europäische Bündnispartner. Und der BND war von dieser Beurteilung nicht ausgeschlossen.
Vierzehn Jahre später wird dem BND vorgeworfen, sogenannte Selektoren der NSA ungeprüft in das Echelon-Nachfolgeprojekt in Bad Aibling eingespeist zu haben. Selektoren, die nach genauerer Überprüfung den Verdacht bestätigen, dass die NSA gegen europäische Unternehmen Wirtschaftsspionage und politische Spionage betreibt und dafür den BND benutzt. Ein Auslandsnachrichtendienst also, der von der NSA über Jahrzehnte hindurch dafür genutzt wurde, gegen Deutschland, gegen europäische Bündnispartner und auch deutsche Unternehmen zu spionieren und die Privatsphäre deutscher Staatsbürger zu ignorieren. Eine Erkenntnis, die den politischen Kontrollinstanzen des BND über Jahrzehnte hinweg angeblich verborgen geblieben war. In Vergessenheit geraten waren die Untersuchungsergebnisse zu Echelon, obwohl der derzeitigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, von 1999 bis 2005 Chef des Bundeskanzleramtes und oberster Dienstaufseher des BND war und die Kooperation zwischen BND und NSA mit auf den Weg gebracht hat.
Dass Nachrichtendienste wie der BND Informationen sammeln ist nicht wirklich eine Überraschung, dass er es für die USA und mitunter gegen die deutsche Interessenlage tut, schon. 14 Millionen solcher Selektoren wurden von der NSA bis 2015 an den BND übermittelt. Davon wurden 40.000 vom BND aussortiert, da sie entweder gegen deutsches Grundrecht oder gegen deutsche Interessen verstießen. Das Filtern der Selektoren erfolgt in einem dreistufigen Verfahren unter Einsatz der deutschen Software DAFIS. Dass dieser Prozess kaum mehr überblickt werden kann, liegt auf der Hand.
Bis heute wurden die wirklich kritischen Fragen noch gar nicht angesprochen. Aber wie ist es der NSA über Jahre hinweg gelungen, Selektoren in deutsch-amerikanische Einrichtungen zur Kommunikationsüberwachung einzuspeisen, die eindeutig die deutsche Politik, und europäische und deutsche Unternehmen zum Ziel hatten? Damit nicht genug. Der BND liefert der NSA auch heute noch 1,3 Milliarden Metadaten monatlich, ohne in der Lage zu sein, die Nutzung dieser Daten zu kontrollieren. Daten, von denen Michael Hayden sagt: „Auf der Basis von Metadaten töten wir Menschen.“ Dass vom BND gelieferte Metadaten auch für die Programmierung des amerikanischen Drohnenkrieges genutzt werden, hat Thomas Drake, ehemaliger Mitarbeiter der NSA bei seiner Aussage im Juli 2014 vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre zu Protokoll gegeben.
Es sind die vom BND selbst gewählten Selektoren, welche noch über erhebliche politische Sprengkraft verfügen. Selektoren, die andere europäische Bündnispartner, deren Politik und deren Schlüsselunternehmen zum Ziel haben. Wer hat dafür den Auftrag gegeben? Es spricht vieles dafür, dass die eigentlichen Auftraggeber für diese Art von Kommunikationsüberwachung nicht in Deutschland zu finden sind. Es macht keinen Unterschied, ob der Dienst Selektoren der NSA oder eigene Selektoren verwendet hat. Die entscheidende Frage lautet, wohin die Ergebnisse geflossen sind.
Der Verdacht ist naheliegend, dass der BND diese Informationen anderen ausländischen Nachrichtendiensten bewusst oder unbewusst weitergegebenen hat. Nachrichtendienste leben schließlich vom Geben und Nehmen.
Auslöser der BND-Affäre rund um das Abhören von Partnern, Institutionen, Unternehmen und NGOs waren die Veröffentlichungen von Snowden, die die Affäre ins Rollen gebracht haben. Der politische Druck war zwischen 2013 und 2015 derart groß geworden, dass sich der BND dazu gezwungen sah, auch die selbst gewählten und nicht von der NSA vorgegebenen Selektoren gegenüber dem parlamentarischen Kontrollgremium offenzulegen. Damit wurde die Kanzlerin überrascht, die noch im Oktober 2013, also unmittelbar nach Aufkommen der Snowden-Affäre, die Abhöraktion um ihr Handy mit den Worten kommentierte: „Abhören unter Freunden, das geht gar nicht“. Die politische Führung Deutschlands wusste anscheinend nur in sehr eingeschränktem Maße darüber Bescheid, was der BND tatsächlich trieb. Mit anderen Worten, der BND war faktisch viele Jahre ohne inhaltliche Kontrolle und Vorgaben.
Das Nachrichtendienste Informationen sammeln und Kommunikation abhören, überrascht nicht. Der eigentliche Skandal wird erst deutlich, wenn man nachfragt, wer denn die Nutznießer und Auftraggeber dieser Kommunikationsüberwachung waren? Zumindest in der öffentlichen Diskussion wurde diese Frage bisher nicht gestellt. Was passierte mit den Informationen, die der BND durch das Abhören von Unternehmen, diplomatischen Vertretungen, internationalen Organisationen und ausgesuchten Persönlichkeiten generierte? Die eigene deutsche Politik zeigte sich weitgehend unbedarft von den grenzwertigen bis illegalen Aktivitäten ihres Nachrichtendienstes. Es spricht daher vieles dafür, dass die eigentlichen Auftraggeber für diese Kommunikationsüberwachung nicht in Deutschland zu finden sind. Es macht keinen Unterschied, ob der Dienst Selektoren der NSA oder eigene Selektoren verwendet hat. Die entscheidende Frage lautet, wohin die Ergebnisse geflossen sind. Der Verdacht ist naheliegend, dass der BND diese Informationen anderen ausländischen Nachrichtendiensten bewusst oder unbewusst weitergegebenen hat. Nachrichtendienste leben schließlich vom Geben und Nehmen.
Der Echelon-Abschlussbericht beschäftigte sich ausführlich mit dem Thema Wirtschaftsspionage und kommt zum Schluss, dass Wirtschaftsspionage zu den Aufgabenbereichen der meisten europäischen Dienste zählt.
Vierzehn Jahre später wird dem BND vorgeworfen, sogenannte Selektoren der NSA ungeprüft in das Echelon-Nachfolgeprojekt in Bad Aibling eingespeist zu haben. Selektoren, die nach genauerer Überprüfung den Verdacht bestätigen, dass die NSA gegen europäische Unternehmen Wirtschaftsspionage betreibt. Eine Erkenntnis, die dem BND über viele Jahre hinweg angeblich verborgen geblieben war, ebenso wie den dafür verantwortlichen politischen Entscheidungsträgern im Kanzleramt. In Vergessenheit geraten waren die Untersuchungsergebnisse zu Echelon, obwohl mit Außenminister Steinmeier, von 1999 bis 2005 als Chef des Bundeskanzleramtes oberster Dienstaufseher des BND, ein unmittelbar Beteiligter nach wie vor politische Verantwortung trug. Auch die Problematik um die Selektoren der BND-NSA-Kooperation war keineswegs unbekannt oder gar neu. Bei den Selektoren handelt es sich um eingespeiste Suchbegriffe, damals noch ins Echelon-System, aus denen das NSA-Interessenprofil abgeleitet werden kann. Wie sehr sich die Geschichte wiederholt, unterstreicht ein Bericht des Spiegels aus dem Jahre 1999, der sich auf einen BND-Mitarbeiter beruft. Unter Bezug auf diese Quelle wird davon berichtet, dass die gesammelten Daten im Hauptquartier der NSA, in Fort Meade in Maryland/USA, ausgewertet und analysiert wurden. Und mehr noch, der deutsche Insider charakterisierte die eingespeisten Suchbegriffe als Suchkriterien, die aus der amerikanischen Wirtschaft kommen. Gezielt würde nach wirtschaftlichen Know-how gesucht.
In dem Abschlussbericht wird konstatiert, Echelon sei ein im hohen Maße von den USA und ihren Verbündeten genutztes System der Wirtschaftsspionage. Anlässlich der Vorlage des Berichtes an das Europäische Parlament am 5. November 2001 führte der Berichterstatter des eingesetzten Ausschusses, Gerhard Schmid, aus, dass die USA keine nachrichtendienstlichen Erkenntnisse direkt an US-Firmen weitergeben würden. „Sie haben aber zugegeben, dass sie im Detail abhören, wenn es um international ausgeschriebene Großaufträge geht.“ Das wird damit gerechtfertigt, dass, „die europäischen Firmen bestechen würden und man müsste sich dagegen wehren“. Schon damals zeichnete sich ab, was auf die Flaggschiffe der deutschen Wirtschaft in den kommenden Jahren zukommen sollte.
Aber wie ist es der NSA über Jahre hinweg gelungen, sogenannte Selektoren in deutsch/amerikanische Einrichtungen zur Kommunikationsüberwachung einzuspeisen, die eindeutig europäische und deutsche Unternehmen zum Ziel hatten? Damit nicht genug. Der BND liefert der NSA auch heute noch 1,3 Milliarden Metadaten monatlich, ohne in der Lage zu sein, die Nutzung dieser Daten zu kontrollieren. Daten, von denen Michael Hayden sagt: „Auf der Basis von Metadaten töten wir Menschen.“ Dass vom BND gelieferte Metadaten auch für die Programmierung des amerikanischen Drohnenkrieges genutzt werden, hat Thomas Drake, ehemaliger Mitarbeiter der NSA bei seiner Aussage im Juli 2014 vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre zu Protokoll gegeben.
Sechzehn Jahr später hat sich die Abhörtechnik fundamental geändert und damit auch der Zugang der NSA zu europäischen und deutschen Daten. Die Probleme sind jedoch gleich geblieben: Misstrauen, ausgelöst durch den Datenhunger der NSA und begleitet von einer schier unglaublichen politischen Naivität der Akteure. Bis heute läuft die Zusammenarbeit zwischen BND und NSA weitgehend automatisiert ab.
Die automatisierte technische Zusammenarbeit zwischen BND und NSA hat zwei Ansätze: Im Zentrum der technischen Zusammenarbeit stehen die sogenannten Selektoren, die vom BND im Auftrag der NSA in das System eingespeist werden. Auch dies erfolgt automatisch, durchläuft jedoch einen dreistufigen Prüfungsprozess. Solche Einspeisungen erfolgen mehrmals am Tag und sind ein sehr komplexer Prozess. In der Praxis sind die Selektoren jedoch für den BND nur eingeschränkt kontrollierbar, trotz des Prüfungsverfahrens und der dafür entwickelten Software mit dem Namen DAFIS.
Im Oktober 2015 wurde der Bericht des Sonderermittlers Kurt Graulich zu den von der NSA an den BND übermittelten Selektoren veröffentlicht. Graulich wurde von der Bundesregierung für diese Aufgabe eingesetzt, vor allem um zu verhindern, dass sensible Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Genau das waren die Bedenken der NSA.
Der Bericht trägt das Datum 23.10.2015. Der 251 Seiten umfassende Bericht sollte ursprünglich Aufschluss darüber geben, ob die von der NSA übermittelten Selektoren rechtskonform mit dem 2002 zwischen dem BND und der NSA abgeschlossenen Memorandum of Agreement sind. Mit anderen Worten, ob die NSA mit Unterstützung des BND gegen deutsche oder europäische Interessen spioniert hat. Eine Sichtung und Beurteilung der Selektoren soll, so die Bundesregierung, darüber Aufschluss geben. 14 Millionen solcher Selektoren wurden von der NSA bis 2015 an den BND übermittelt. Davon wurden 40.000 vom BND aussortiert, da sie entweder gegen deutsches Grundrecht, gegen das Memorandum oder gegen deutsche Interessen verstießen. Das Filtern der Selektoren erfolgt, wie bereits erwähnt, in einem dreistufigen Verfahren unter Einsatz der deutschen Software DAFIS.
Der für die Öffentlichkeit bestimmte Bericht nennt keine Einzelheiten, jedoch Zahlen. Demnach finden sich unter den ausgesonderten Selektoren 4971 „Internetselektoren“, 54 „Telefonieselektoren” über deutsche Staatsbürger, 22.024 „Internetselektoren“ zu Regierungseinrichtungen und staatlichen Stellen in EU-Ländern. Der Bericht stellt auch fest, dass in 1185 Fällen die Selektoren ausgeschieden wurden, da sie als „Verstoß gegen deutsche Interessen“ gewertet wurden. Der Bericht konstatiert ebenfalls, dass sich unter den herausgenommenen Selektoren eine „ganze Anzahl … auf wirtschaftlich tätige Unternehmen mit Sitz in Deutschland oder deutschem Ursprung“ fanden.
Obwohl sich der Sonderermittler mit dem Inhalt seines Abschlussberichtes den medialen Vorwurf gefallen lassen musste, eher die Position der Regierung und des BND gestützt zu haben, finden sich im Abschlussbericht doch sehr eindeutige Hinweise auf den Missbrauch durch die NSA. Graulich stellt der NSA im Umgang mit dem BND ein vernichtendes Urteil aus: Die NSA habe das Vertrauen der Bündnispartner missbraucht. Sie habe „aus der Tarnung des Gemeinschaftsprojektes (heraus) nachrichtendienstliche Aufklärung gegen Mitglieder der EU unternommen. Die NSA hat sich damit nicht nur vertragswidrig verhalten, sondern auch ohne Abstimmung in der Kooperation die deutsche Position gegenüber ihren europäischen Partnern potenziell gefährdet.”
Die Affäre um die Selektoren ist bis heute bei Weitem nicht befriedigend gelöst. Nur der BND weiß, wie viele der 14 Millionen Selektoren noch aktiv sind. Auch ist nicht klar, wie treffsicher DAFIS tatsächlich ist, da sich das Profil der NSA-Selektoren laufend ändert und angepasst werden muss. Graulich geht zwar davon aus, dass das System technisch gut aufgestellt ist, die Effizienz und Treffsicherheit hängt jedoch von dessen Pflege ab. Bei einer solchen Datenmenge ein schwieriges Unterfangen. Wie problematisch Selektoren sein können, wird schon alleine daraus ersichtlich, dass der BND erst im März 2015 alle amerikanischen Selektoren eliminierte, die nur eine IP-Adresse enthielten. Über die Gründe dafür schweigt der BND, es wird jedoch vermutet, dass über die IP-Adresse personenbezogene Informationen abgefragt wurden.
Die alles entscheidende Frage wurde aber erst gar nicht gestellt. Deutschland ist nicht das einzige Land, mit dem die NSA zusammenarbeitet. Selbst wenn überzeugend, wenn auch nicht strafrechtlich relevant, nachgewiesen werden könnte, dass die NSA ihre Aufklärungsmaschinerie gegen Ziele der deutschen Wirtschaft richtet, so kann sie das bequem außerhalb der territorialen Zuständigkeit deutscher Rechtsprechung und fernab des Zugriffs durch den Verfassungsschutz tun.
Am deutlichsten sollte dies Jahre später öffentlich werden, als bekannt wurde, dass der BND auch solche Selektoren im amerikanischen Überwachungssystem in Deutschland akzeptierte, die offensichtlich gegen die deutsche und europäische Wirtschaft gerichtet waren. Bereits 2005 fiel dem BND auf, dass die Amerikaner die gemeinsame Arbeit dazu missbrauchten, um Unternehmen wie EADS, Eurocopter und französische Dienststellen auszuspionieren. Mit der Einspeisung der überwiegend von der NSA vorgegebenen Selektoren durch den BND war der Prozess jedoch nicht zu Ende. Die deutschen Behörden erwiesen sich als verlässliche Partner; sie gaben gefilterte politische Informationen ungeprüft in ihren Lageberichten an die Bundesregierung weiter und inspizierten gemeinsam mit Vertretern der CIA deutsche Firmen vor Ort. Die Situation in Österreich ist diesbezüglich noch gravierender.
Dieser Fall wurde deshalb ruchbar, da das Kanzleramt noch im Oktober 2015 dem Parlamentarischen Kontrollgremium mitteilte, dass der BND nicht nur mit NSA-Selektoren operierte, sondern auch eigene Selektoren verwendete.