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Nachrichtendienst heute – zwischen Routine und Begehrlichkeiten

Ein Blick hinter die Kulissen der Geheimdienstarbeit in Österreich zeigt, dass sich das Selbstverständnis der ehemaligen alliierten Nachrichtendienste gegenüber den Institutionen der Republik fast 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wenig geändert hat. Die ehemaligen Alliierten Dienste in Wien deponieren ihre Begehrlichkeiten ständig gegenüber Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten und ihren Filialen. Günstigstenfalls fordern sie „Gefälligkeiten“ am Rande der Legalität oder übernehmen gleich selbst die Regie, ohne die dafür zuständigen nationalen Stellen überhaupt einzubeziehen. In der jüngsten Chronik des BVT lassen sich einige derartige Vorgänge rekonstruieren. Es gibt westliche Nachrichtendienste, die ihr österreichisches Gegenüber quasi wie ein „Fast-Info-Shop“ behandeln, unabhängig, ob es sich als Ansprechpartner um Dienststellen im BM.I oder BMLVS handelt. Eingefordert werden Kooperationen oder zumindest operative Freiräume.

Werden solche Ansinnen verweigert und/oder rechtliche oder andere Gründe sprechen gegen solche Begehrlichkeiten, dann kann es schon einmal vorkommen, dass in Medien oder bei Parlamentariern eine Intrige gegen die Gefälligkeits-Verweigerer platziert wird. Jedenfalls: Saubere Arbeit im Sinne der gesetzlichen Vorgaben scheint ein Drahtseilakt in Wien zu sein, einem Wien, das mehr als alle anderen europäischen Städte Operationsgebiet ausländischer Dienste ist.

Nicht „abgesprochene“ österreichische Kontakte zu anderen ausländischen Nachrichtendiensten können sich rasch zu einem riskanten Unterfangen auswachsen, auch wenn gerade Österreich historisch gewachsene, ausgewogene Beziehungen zu Krisenregionen unterhält; im Übrigen ist es eine zentrale Aufgabe von Nachrichtendiensten gegenüber Informationen – woher auch immer – aufgeschlossen zu sein. Dies gestaltet sich in Wien als eine „Mission Impossible“, da selbstständige Politik von ehemaligen alliierten Diensten als eine Art „Fahnenflucht“ gesehen wird. Nicht selten werden die Behörden und Dienste unmissverständlich darauf hingewiesen, wo ihr eigentlicher Auftraggeber sitzt. Und das wohlgemerkt fast 70 Jahre NACH dem Zweiten Weltkrieg und als Mitglied in der Europäischen Union.

In diesem innen- und außenpolitischen Minenfeld zu überleben, ist wohl die Königsdisziplin der Verantwortlichen und gleichzeitig auch die weniger schöne Seite der Verantwortungsübernahme geheimdienstlicher Arbeit in Österreich. „Sich nicht bewegen“ scheint vielfach zu einer Überlebensstrategie im Umgang mit ausländischen Diensten geworden zu sein.

Erwähnenswert ist schließlich auch noch der Faktor Parteipolitik. Das Personal, nicht nur der Bundes- und Landesämter, stammt meist aus den Wunschlisten der tonangebenden politischen Parteien. Dieser Umstand hemmt wie kein anderer die notwendige Professionalisierung der Dienste und damit die eigenständige nachrichtendienstliche Arbeit.

Spione – und die Gnade der späten Geburt

Österreich hat nicht erst seit gestern den Ruf, die Spionage-Hauptstadt Europas – manche sagen sogar der Welt – zu sein. Betrachtet man die geostrategische Lage des Landes zur Zeit des Kalten Krieges kann man erahnen, welche Bedeutung dieses Land als „Drehscheibe“ und „Operationsgebiet“ für ausländische Nachrichtendienste hatte und heute noch hat.

 Kann man zeitgenössischen Historikern Glauben schenken, finden sich erstaunlich viele noch lebende prominente Österreicher aus Politik und Wirtschaft in den nach wie vor existierenden Archiven ehemaliger Warschauer-Pakt-Länder. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, neben den existierenden sowjetischen/russischen Unterlagen auch die der kommunistischen Sicherheitsdienste der ehemaligen ČSSR, Ungarn und der DDR zu nennen, waren die ersten beiden doch insbesondere für Österreich „zuständig“. Ein geringer Teil der in diesen Unterlagen geführten Personen werden als ehemalige Informanten oder auch als Agenten (Spione) ausgewiesen. Eine ansatzweise Aufarbeitung dieses Kapitels ist in Österreich, anders als in Deutschland, bisher ausgeblieben. Wie heute allgemein bekannt ist, ist eine nachträgliche Beurteilung solcher Aufzeichnungen äußerst strittig und nur mit äußerster Vorsicht und Fachkenntnissen möglich. Dies auch deshalb, da diese Unterlagen meist lückenhaft und zudem aufgrund des Mangels von Vergleichsmaterialien anderer Dienste nur schwer zu verifizieren sind.

Eines dieser auch für Österreich relevanten Spionagekapitel sind die sogenannten „Rosenholz-Dateien“. Dabei handelt es sich um umfassende mikroverfilmte Aufzeichnungen, zum geringeren Teil um Namenslisten von Informanten und freiberuflichen Mitarbeitern, geführt von der „Hauptverwaltung Aufklärung des Auslandsnachrichtendienstes“ (HVA) der DDR. Das Besondere an diesen Listen ist, dass sie von US-Dienststellen bereits 1990 ausgewertet, aber erst 2003 den deutschen und anderen Behörden zur Verfügung gestellt wurden. Mit den Rosenholz-Dateien hat die Forschung bislang nur wenig gearbeitet, auch wenn diese laut Veröffentlichung der „Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen“ (BStU) seit 2003 „zur wissenschaftlichen Aufarbeitung“ zur Verfügung stehen. Den betroffenen ausländischen Sicherheitsbehörden stehen diese Aufzeichnungen und Unterlagen per Definition nicht zur Verfügung.

 Das Besondere an diesen Dateien liegt im Umstand, dass unter den Leitern der für Spionage zuständigen Behörden die einhellige Auffassung besteht, dass besonders interessante Personen seitens der US-Dienststellen gegenüber den verbündeten Diensten in Europa zurückgehalten wurden, um sie selbst nachrichtendienstlich zu nutzen. Es ist gängige Praxis von Nachrichtendiensten, sich solcher Glücksfälle zu bedienen. Dies gilt natürlich nur für die Zeit, in der solche Personen in interessanten Positionen in ihren Heimatländern verankert sind; sei es nun in Politik oder Wirtschaft. Die Nutzungsdauer solcher freiwillig/unfreiwilligen Mitarbeiter hat jedoch altersbedingt ein Ablaufdatum. Gesagtes gilt bis heute auch für Österreich.