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Die österreichische Intelligence Community

Als österreichische Intelligence Community gelten die beiden dem BMLVS nachgeordneten Dienststellen „Herresnachrichtenamt“ und „Abwehramt“ (AbwA) und das im Innenministerium direkt angesiedelte „Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung“. Die Rechtsgrundlagen für deren Befugnisse sind bei den militärischen Diensten im Wesentlichen im Militärbefugnisgesetz (MilBefG) und für die im BM.I angesiedelte Behörde im Wesentlichen im Sicherheitspolizeigesetz und im Strafgesetzbuch verankert. Die drei „Dienste“ haben in der österreichischen Rechtsordnung keine eigene Grundlage, sondern sind Organisationseinheiten innerhalb der Geschäftseinteilung und der dort innehabenden Aufgabenstellungen.

Alle drei Ämter arbeiten überwiegend „unabhängig“ voneinander an ähnlichen Themenstellungen. Zu einer Koordinierung von nachrichtendienstlichen Tätigkeiten kommt es nur im Ausnahmefall oder wenn aufgrund gesetzlicher Bestimmungen (Legalitätsprinzip) eine Befassung der im Innenministerium angesiedelten Strafverfolgungsbehörde gesetzlich vorgesehen ist.

Problematisch ist diese Dreierbeziehung aus mehreren Gründen:

  • Erstens finden sich in den Aufklärungsprofilen und im Zuständigkeitsbereich aller drei Ämter zahlreiche Überschneidungen, die von der Terrorismusbekämpfung, Proliferationsbekämpfung, Cyber Security, Personenschutz bis hin zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität reichen. Dies führt regelmäßig zu Animositäten zwischen den Akteuren und hemmt den Informationsaustausch dort, wo er im Sinne der nationalen Sicherheit notwendig wäre.
  • Zweitens sind alle drei Ämter (das AbwA noch am wenigsten) Ansprechpartner derselben ausländischen Nachrichtendienste. Die Animositäten der drei Ämter im Verhältnis zueinander eröffnen den ausländischen Nachrichtendiensten die Möglichkeit, daraus eigene Vorteile zu ziehen. Dies geht mitunter auch so weit, dass österreichbezogene Informationen von einem Amt zum anderen vielfach über den Weg ausländischer Nachrichtendienste erfolgen. Dieser Ansatz wird bis heute exzessiv genutzt.
  • Drittens hat sich das Misstrauen zwischen – generell gesprochen – der Landesverteidigung und dem Innenministerium noch verstärkt, als zwischen 2002 und 2004 der Eindruck entstand, dass die beiden Ministerien zu einem Sicherheitsministerium zusammenfasst werden sollten. Dieser Eindruck wurde durch das Kabinett Ernst Strassers erweckt, jedoch nie ernsthaft in Erwägung gezogen.
  • Legalitätsprinzip versus Opportunitätsprinzip: unter dem Legalitätsprinzip versteht man die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörde, ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, falls sie Kenntnis über eine Straftat erhält. Dieses rechtsstaatliche Prinzip ist der Totengräber nachrichtendienstlicher Arbeit, weil dadurch Ermittlungen im Umfeld von Straftaten enge Grenzen gesetzt sind. Dies führt in der Praxis dazu, dass strafrechtlich relevante Informationen eher selten zwischen Strafverfolgungsbehörden und klassischen Nachrichtendiensten ausgetauscht werden. Noch vor einigen Jahren war eine Zusammenarbeit zwischen CIA und FBI – selbst in terrorismusrelevanten Fällen – undenkbar. Auch der Informationsaustausch zwischen BVT und HNaA folgt diesem Muster.

Es ist innerhalb der jeweiligen nationalen Intelligence Community fast weltweit so, dass Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in ihrem Verhältnis zueinander in einem Spannungsverhältnis stehen. Dies ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass sie im Hinblick auf die immer enger werdenden finanziellen Ressourcen in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen, sondern hat auch damit zu tun, dass das (sicherheits)polizeiliche Informationsaufkommen oft eine höhere Qualität aufweist, als nachrichtendienstliche Lagebilder. Diese Tendenz spiegelt sich im Verhältnis zwischen CIA und FBI genauso wider wie im Verhältnis Heeresnachrichtenamt und Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Österreich.